Ausstellungseröffnung „Angst vor Hass“ am 29. Oktober 2021

Ausstellungseröffnung „Angst vor Hass“ am 29. Oktober 2021

Gleich zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung in der Aula machten die Schüler:innen, vertreten durch Eva Kleine-Besten (Q1) und Mathis Drees (Q2) deutlich, was ihnen an dem Projekt und der Ausstellung wichtig ist: das Bewusstsein, dass auch heute, mehr als zwei Generationen nach der Shoa, immer noch oder wieder jüdische Mitbürger:innen angefeindet werden und es immer noch notwendig ist, jüdische Einrichtungen, wie beispielsweise das Jüdische Museum Westfalen in Dorsten, durch ständige Polizeipräsenz zu schützen.

Anhand von 18 Plakaten mit Zitaten und Bildern, die Interesse wecken und zum Nachdenken anregen sollen, werden 17 Schüler:innen der Jahrgangsstufen Q1 und Q2 der Oberstufe des Gymnasium Petrinum, die sich freiwillig für das Projekt gemeldet haben, durch die Ausstellung führen. Die Coaches, Catrin Opheys und Gavriil Vezinias, Studierende der Universität Duisburg-Essen, haben in den vergangenen Wochen mit den Jugendlichen das gesamte Umfeld des Themas „Antisemitismus“ erarbeitet und haben ihnen Impulse zur eigenständigen individuellen Führung durch die Ausstellung an die Hand gegeben. (ausführlich zur Arbeit der Schüler:innen s. den Artikel vom 21.10.1021 auf dieser Homepage)

Nach der Begrüßung durch die Schüler:innen und den Schulleiter Herrn Westhoff erläuterte Herr Stevens, welcher der Schule die Idee der Ausstellung nahegebracht hat, die Bedeutung der Ausstellung als Möglichkeit von Jugendlichen für Jugendliche, ein Zeichen der Hoffnung gegen Angst und Hass zu setzen und betonte in seiner folgenden Rede besonders die Rolle der Schule als „zentrale Sozialisationsagentur“ und machte deutlich, wie wichtig es gerade in Anbetracht wachsender Vorurteile sei, aufeinander zuzugehen und Bücken zu bauen. (vollständige Rede s.u.)

Bürgermeister Tobias Stockhoff sah im Rückblick auf seine eigene Schulzeit am Petrinum eine Tradition der Schule im Einsatz für Demokratie und respektvolles Miteinander und freute sich, dass diese im Laufe der Zeit fortgeführt und u.a. durch die aktuelle Ausstellung auch deutlich weiterentwickelt wurde. Er mahnte an, Stellung zu beziehen und nicht wegzusehen, und forderte die Jugendlichen auf: „Sucht den Kontakt zu jüdischen Mitbürgern, besucht mal eine Synagoge. Und steht auf, wenn andere Menschen gegen Juden Hass oder gar Gewalt verbreiten.“

Dr. Uri Robert Kaufmann, welcher die Ausstellung mit konzipiert hat, zeigte in seiner beeindruckenden Ansprache sowohl die aktuelle als auch die historische Dimension jüdischen Lebens in Deutschland, das dieser Tage auf seine 1700-jährige Tradition zurückblickt. Es gelte, die jahrhundertelange Geschichte des Judentums in Deutschland zu verstehen und nicht nur auf den Holokaust zu reduzieren. Er warb für gute Kenntnisse der zivilisatorischen Entwicklungen, das Entdecken der Vielfalt der jüdischen Kultur, z.B. in Marokko oder im Jemen, oder des Jiddischen als interessanter Literatursprache. Gleichzeitig wandte er sich deutlich gegen jene, die „alle Juden in einen Topf schmeißen“ und „nicht zwischen israelischer Regierungspolitik und dem Empfinden eines Durchschnittsjuden in Deutschland“ zu differenzieren bereit seien. Hier müsse man insbesondere aufklärerisch wirken und sich einsetzen gegen einseitige Weltbilder und wieder aufkommenden Antisemitismus, gerade im Internet, wo sich Fanatismus oft ungehindert Bahn breche. Er selbst schilderte seine unmittelbare Betroffenheit beim Fastenbrechen an Jom Kippur vor zwei Jahren, als bekannt wurde, dass ein Attentäter versucht hatte, gerade an diesem Jüdischen Feiertag in die Synagoge von Halle einzubrechen, um wehrlose Menschen zu töten. Die Situation änderte sich abrupt für ihn in eine reale Bedrohung, so dass er nur in einer Gruppe das Gebäude verlassen durfte.

Musikalisch begleitet wurden die Beiträge durch ein kleines, aber feines Ensemble der Jahrgangsstufe 9, welches unter der Leitung von Herrn Goralski (am Flügel) Lieder und Stücke aus der jüdischen Tradition spielte, zunächst das zur Klezmertradition gehörige Stück „Sammys Freilech“, zwischendurch ebenfalls ein traditionelles Klezmerstück mit dem Titel „Jankele“ und zuletzt das Lied „Huljet, huljet kinderelech“ von Mordechaj Gebirtig, welches vom jüdischen Alltag im Ghetto sowie von der Verfolgung und dem Leid seines Volkes erzählt. Das Ensemble bestand aus Aljena Bockamp (Harfe) 9A, Marlene Herrschaft (Klarinette) 9A, Emelie Zydek (Querflöte) 9A, Marie Fasselt (Querflöte) 9B, Lara Bidik (Querflöte) 9C und Jonas Overbeck (Trompete) 9C.

Nach dem offiziellen Teil lud der Schulleiter zu einem kleinen Umtrunk und zur Begehung der Ausstellung ein. Hier zeigten die ausgebildeten Schüler:innen, wie intensiv und wie persönlich sie sich mit den Plakaten auseinandergesetzt haben, und kamen mit den Gästen ins Gespräch – welches offensichtlich so anregend wirkte, dass Bürgermeister Stockhoff den Vorsatz fasste, mit der gesamten Ratsfraktion die Ausstellung zu besuchen. Die Ausstellung hat es jedenfalls verdient und die Schüler:innen freuen sich auf diese wie auf alle weiteren Anfragen.

Ein großer Dank der Schule gilt an dieser Stelle unserem SoWi- und Chemie-Lehrer Cornelius Halsbenning, der als Mitglied der Gruppe „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ die Arbeit mit den Schüler:innen maßgeblich organisiert und mit allen anderen Personen und Institutionen koordiniert hat, sowie den Schüler:innen (des SoWi-Zusatzkurses der Q2 und der Geschichte- und SoWi-LKs von Herrn Halsbenning und Herrn Hatzig), die sich freiwillig zu Führer:innen durch die Ausstellung haben ausbilden lassen.

Die Ausstellung kann mit Schülergruppen, als Einzelperson oder in Kleingruppen nach telefonischer Voranmeldung im Schulsekretariat (02363 – 201010) und mit einem gültigen 3G-Nachweis noch bis Ende November im Foyer der Aula des Petrinum besucht werden.

Rede von Herrn Stevens zur Ausstellungseröffnung „Angst vor Hass“  (Gymnasium Petrinum Dorsten, 29.10.2021)

„Mein Haus ist ein Haus der Gebete für alle Völker“,

so steht es an der Fassade des Jüdischen Gemeindezentrums in Gelsenkirchen.Dieser Satz aus dem Buch Jesaja steht für Offenheit, Toleranz und Freiheit, doch Kameras und Polizeischutz müssen inzwischen darüber wachen, dass diese Werte eingehalten werden.

Der Hass und die Verrohung der Sprache, besonders in den sog. Sozialen Medien, nimmt ständig zu.

Vorurteile, Ressentiments und Feindbilder gegenüber Juden haben in der Pandemie ihre besondere Anziehungskraft.

Sind Juden in Deutschland noch sicher?

Viele Jüdinnen und Juden können diese Frage nicht mehr eindeutig mit JA beantworten.

In diesen Zeiten brauchen wir Brückenbauer, Menschen, die aufeinander zugehen, die Demokratie leben.

Unsere Suche nach geeigneten Brückenbauern war rasch erfolgreich.

Das Gymnasium Petrinum, Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, nahm das Angebot zur Zusammenarbeit trotz Corona und ohne „Wenn und Aber“ an. So zeigen wir gemeinsam bis Ende November die Ausstellung „Angst vor Hass. Juden in Deutschland haben wieder Angst“.

Herzlichen Dank für die spontane Bereitschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit an Dr. Vera Merge und Markus Westhoff, Cornelius Halsbenning, Julian Hatzig und Sven Müller.

Ein Blick über den Dorstener Tellerrand ist immer sinnvoll.

Diesmal führte er zu Dr. Uri Kaufmann, dem Leiter der Alten Synagoge Essen. Er war sofort bereit, die von ihm konzipierte Ausstellung in unserer Stadt zu zeigen. Herzlichen Dank für diese Nachbarschaftshilfe in wichtiger Sache.

Das Kommunale Integrationszentrum Essen gab hilfreiche Tipps zur Ausstellung und vermittelte mit Catrin Opheys und Gavriil Vezinias  excellente Coaches zur Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern, die in den kommenden Wochen durch die Ausstellung führen.

Bei ihnen möchte ich mich besonders bedanken für ihren bisherigen Einsatz und ihr Engagement in den folgenden Tagen und Wochen.

Herzlich willkommen bei den Brückenbauern!

Die allermeisten unter uns haben vom Judentum erst dann erfahren, als es um den Holocaust ging. Heute können wir nur noch wenigen Überlebenden begegnen und so wachsen zahllose junge Menschen auf, die nur von toten Jüdinnen und Juden wissen.

Doch das Judentum hat in Deutschland eine 1700jährige Geschichte, die neben dem Thema Holocaust im Unterricht vermittelt werden muss. Die Schule ist und bleibt neben der Familie die zentrale Sozialisationsagentur und muss sich dieser Schlüssel- Verantwortung stellen.

Dabei darf man nicht einknicken und sich nicht auf ein falsch verstandenes Neutralitätsgebot zurückziehen. Jeder ist angehalten, Rassismus und Antisemitismus zu widersprechen!

Die meisten Menschen suchen nicht nach dem schlimmsten Szenario, sondern nach hoffnungsvollen Antworten auf eine bessere Zukunft.

„Jüdisches Leben in Deutschland gibt es seit über 1700 Jahren und auch heute ist es lebendig, nur leider oft versteckt. Informiert euch über das jüdische Leben, stellt weiter Fragen, besucht eine Synagoge, aber nicht als Museum, sondern während eines Gottesdienstes. Gebt euren jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn das Gefühl, dass ihr für sie da seid, wenn sich Antisemitismus Bahn bricht. So werden die nächsten 1700 Jahre vielleicht bessere Jahre für uns alle. Denn eines wird man aus dem Mund von Jüdinnen und Juden niemals hören: „Früher war alles besser!“

(Marina Weisband, Eliyah Havemann: „Frag uns doch!“)