Robert Spaemann – ein Nachruf

Robert Spaemann – ein Nachruf

 

Der Philosoph Robert Spaemann, einer der berühmtesten Schüler des Gymnasium Petrinum, ist am vergangenen Montag (10.12.2018) in Stuttgart im Alter von 91 Jahren verstorben.

Ein ereignisreiches Leben

Geboren in Berlin am 5. Mai 1927 als Sohn des späteren Kaplans Heinrich Spaemann, mit dem er 1942 von Köln nach Dorsten zog, besuchte Robert Spaemann fortan das Gymnasium Petrinum und legte dort auch die Abiturprüfung ab.

Dabei zeigt eine Begebenheit, an die sich Spaemann  in seiner 2012 erschienenen Autobiographie „Über Gott und die Welt“ erinnert, dass er schon früh ein kritischer und zuweilen unbequemer Geist war. An die Tafel eines Kunstraums, der kriegsbedingt gemeinsam mit der Oberschule für Mädchen genutzt wurde, habe der junge Spaemann im Frühjahr 1944 eine Karikatur Adolf Hitlers mit der Bildunterschrift „Achtung! Totengräber Deutschlands“ gezeichnet, woraufhin die Leiterin der Mädchenschule – eine überzeugte Nationalsozialistin – die Einschaltung der Gestapo gefordert habe. Vor ernsten, möglicherweise tödlichen Konsequenzen sei Spaemann damals nur bewahrt worden, weil  der damalige Schulleiter des Petrinum gewissermaßen das Beweismaterial mit der Begründung weggewischt habe, man könne nicht zulassen, dass Schüler „dieses bösartige Produkt der Feindpropaganda zu Gesicht bekommen.“

Nach seinem Abitur studierte Robert Spaemann unter anderem in Münster und München Philosophie, Geschichte und Theologie und wurde später Professor für Philosophie an den Universitäten Stuttgart, Heidelberg und zuletzt in München. Der religiös geprägte, als konservativ einzuschätzende Philosoph Spaemann beteiligte sich neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit auch stets an aktuellen Debatten um zumeist ethische Fragen und trat auch als Berater von Papst Benedikt XVI. in Erscheinung.

Gedanken von aktueller Bedeutung

Obwohl Robert Spaemann  das Petrinum längst verlassen hatte, war er in jüngerer Zeit immer wieder präsent an der Schule und zwar im Philosophieunterricht der Oberstufe. Denn da er einer der profiliertesten Vertreter eines ethischen Universalismus ist, finden sich Auszüge seiner Schriften an gleich mehreren Stellen in den am Petrinum verwendeten Schulbüchern für Philosophie.

Dabei geht es beispielsweise um grundlegende ethische Fragen, etwa „Gibt es grundsätzlich böse Handlungen?“. In diesem Zusammenhang wendet sich Spaemann ausdrücklich gegen den Relativismus,also die Auffassung, dass richtig oder falsch immer von Situation, individuellem Standpunkt oder auch kulturellem Kontext abhängig sei. Auch in spezifischeren, aktuellen Debatten zu Problemen der Ethik, etwa der Sterbehilfe, kommt Spaemann zu Wort und tritt für eine unbedingt zu achtende Würde des Menschen ein. Beim Thema Stammzellenforschung und Embryonenschutz nimmt er einen klaren Standpunkt gegen jede utilitaristische Nutzenabwägung ein und plädiert für einen absoluten Wert des Menschen, der ihm auch in den Grenzbereichen am Anfang und Ende des Lebens zukäme. In der Tierethik schließlich missbilligt Spaemann die Inkaufnahme des Leidens von Tieren in der Forschung oder Massentierhaltung, wobei er unter anderem argumentiert, das Zufügen von Schmerz gegenüber Tieren sei  ein für den vernünftigen und moralisch begabten Menschen ein unwürdiges Verhalten.

Man muss Spaemanns Überzeugungen und Sichtweisen nicht teilen, um ihn und seine Argumentationen schätzen zu können. Denn in jedem Fall bieten seine Texte für eine lebendige philosophische Debatte willkommene Gegenpositionen zu relativistischen oder utilitaristischen Konzepten.

Philosophie und  ganz besonders Philosophieunterricht wäre weit weniger spannend ohne kontroverse Positionen und die Gedanken Robert Spaemanns werden uns bestimmt noch eine lange Zeit bereichern.

Dieser Text von Malte Schmiedhäuser erschien 2017 in ähnlicher Fassung bereits im Jubiläumsbuch  „375 Jahre Gymnasium Petrinum“.

Bild: Prof. Robert Spaemann auf einer Demonstration in Stuttgart im Oktober 2015

(Original in Farbe, Quelle, Lizenz, Pseudonym des Urhebers: Demo für alle)

Weitere Informationen

Beitrag der Basler Zeitung

Beitrag des Spiegel

Buchtipp:  Robert Spaemann und Stephan Sattler, Über Gott und die Welt. Eine Autobiographie in Gesprächen,  Stuttgart 2012. (einige Informationen im obigen Artikel stammen aus diesem Werk)