Entspannte Schüler, zufriedene Eltern und Lehrer

Entspannte Schüler, zufriedene Eltern und Lehrer

Die Dorstener Zeitung berichtet:

Der G9-Schulversuch an dem Dorstener Gymnasium bewährt sich bestens
DORSTEN. Das Gymnasium Petrinum feiert in diesem Jahr seinen 375. Geburtstag. Die Schule hat sich in der Dorstener Schullandschaft einen festen Platz bewahrt. Seit 2011 punktet das Petrinum zusätzlich mit dem Abitur nach neun Jahren (G9) bei Eltern und Schülern. Verlässlich bis 2029 haben Dorstener Kinder ein Jahr mehr Zeit, ihre Hochschulreife zu erwerben. „Aus dem Schulversuch ist ein bewährtes Modell geworden“, sagt der Leiter der Schule, Dr. Christoph Oster.
Leon Gilles, Sven Wlatzik, Fabia Dierks und Lena Steffes (v.l.) genießen die Vorteile des Abiturs nach 9 Jahren (G9), die ihnen das Gymnasium Petrinum in Dorsten bieten kann.Engtel RN-FOTO ENGTEL

Lena Steffes, Fabia Dierks, Sven Wlazik und Leon Gilles gehören zu den ersten echten G9ern des Gymnasium Petrinum. Leon gibt sich tiefenentspannt: „Ich habe mich ganz bewusst für die ein Jahr längere Schulzeit entschieden, als ich von der Grundschule zum Gymnasium gewechselt bin“, sagt er. Sven Wlazik nutzte die Gunst der Stunde, als er nach einem Jahr G8 noch rechtzeitig die Kurve zu G9 bekam: „Ich habe gemerkt, dass mir mehr Zeit guttun würde. Die Unterrichtstage in der 6. Klasse waren bei G8 viel länger, ich fühlte mich überfordert.“ In seinem G9-Jahrgang kommt Sven nun besser klar.

Für ihre Lehrer ist es keine Frage, dass die längere Verweildauer am Gymnasium den Schülern zum Vorteil gereicht. Sie haben das an den Anmeldezahlen ablesen können, als es 2011 noch möglich war, die Dorstener Schüler entweder für das Abitur nach neun Jahren, wahlweise nach acht Jahren am Petrinum anzumelden: „Wir hatten nur noch zehn Anmeldungen für G8, alle anderen Kinder wurden für G9 angemeldet“, sagt Dr. Christoph Oster. Die Eltern hätten „mit den Füßen abgestimmt“, dass G8 nicht das Wahre für die Persönlichkeits- und schulische Entwicklung ihrer Kinder sei. G8 wurde am Petrinum daraufhin abgeschafft, G9 zum Regelangebot. „Der jetzige Jahrgang 9 ist sogar fünfzügig“, so Christoph Oster. Damit belegt er die gute Nachfrage, die G9 bei den Eltern und Kindern geweckt habe. Mit dem politischen Ratsbeschluss in 2016, den „Schulversuch“ am Petrinum weiter zu verlängern, können Kinder, die am Petrinum zwischen 2017 und 2020 angemeldet werden, gesichert ihr Abitur nach neun Jahren machen. Das außergewöhnliche Angebot des städtischen Dorstener Gymnasiums, das kreisweit einzigartig ist und sich in ganz Nordrhein-Westfalen neben elf weiteren Gymnasien am vom Landeschulministerium ausgelobten G9-Schulversuch beteiligt, hat sich in Dorsten herumgesprochen.
„Bei den letzten beiden Elternabenden 2016 als Vorbereitung auf die Anmeldungen der kommenden Fünftklässler waren rund 300 Eltern gekommen. Sie haben sich einhellig positiv über die um ein Jahr längere Schulzeit am Gymnasium Petrinum geäußert“, sagt Dr. Christoph Oster. Diese Eltern wünschten sich, dass ihre Kinder mehr Zeit bekommen, um das Schulpensum zu bewältigen.
Warum das Petrinum mit dem Schulversuch überzeugen kann, erläutert der für G9 am Petrinum zuständige Koordinator, der Mathematik- und Religionslehrer Michael Grave: „Die Schüler haben nur einmal wöchentlich zusätzlich am Nachmittag Unterricht. An vier Tagen in der Woche endet die Schulzeit für sie um 13.30 Uhr.“ So bleibe ihnen der Raum, den Unterrichtsstoff aufzuarbeiten und mehr Zeit für Freizeitaktivitäten.
Leon, Sven, Fabia und Lena können das bestätigen: „Wir haben die Möglichkeit, uns mit Freunden zu treffen oder Sportangebote in Vereinen wahrzunehmen.“ Das können die noch am Petrinum in der Oberstufe vorhandenen letzten G8er nicht: „Ein Freund von mir musste seinen Sport aufgeben, weil er es zeitlich nicht schaffte, am Training teilzunehmen“, sagt Leon. Eine bittere Pille, die die G9er nicht schlucken müssen.
So begrüßt Schulpflegschaftsvorsitzende Angelika Beisenkötter (Foto), die früher selbst mal das Petrinum besucht und nach dem Abitur verlassen hat, die um ein Jahr verlängerte Schulzeit der Kinder: „Meine vier Kinder mussten noch durch G8 durch. Aber ich stelle fest, dass G9 besser funktioniert.“ Angelika Beisenkötter lobt ebenso wie die Lehrer, dass die Schüler die Zeit für ihre Persönlichkeitsentwicklung nutzen könnten. „17-Jährige an der Universität haben häufig Probleme. Und bei allen Beschlüssen müssen die Eltern mitkommen, um zu unterschreiben“, sagt Beisenkötter.
„Die Schüler können gründlicher überlegen, was sie im Anschluss ans Abitur machen wollen und liegen dann bei der Wahl ihrer Ausbildung oder ihres Studiums häufiger richtig“, sagt Angelika Beisenkötter.
Sie erzählt, dass die Landeselternschaft bewusst am Petrinum nachgefragt habe, ob und wie das G9 funktioniere, bevor das Gremium im Spätsommer den Landespolitikern mit der Forderung auf die Füße trat, G8 abzuschaffen und G9 zum Regelangebot zu machen. Im Wahlkampf 2017 wird die Diskussion um G8/G9 an Gymnasien wieder aufflackern, dessen ist sich die Elternvertreterin sicher. „Unsere Erfahrungen zeigen uns, dass wir mit der Entscheidung, das Wagnis des Schulversuchs einzugehen, richtig lagen“, sagt Dr. Oster.

Claudia Engel 03.01.2017